Die Corporate Influencer Formel: Expertise + Engagement + Einfluss
Corporate Influencer im Juni 2020: Ein weiterer Podcast. Seriousely? Ein weiteres Breakfast. Really? Ein weiteres Buch. Come on! Ein weiterer LinkedIn-Artikel. WTF! *wegduck* Ist das noch Hype oder schon Fatigue oder beides parallel mit jeweils hoher Tendenz zur Selbstaufschaukelung?
- Content Marketing
09.06.2020 von Daniel J. Hanke
Fakt ist: Von DAX40-Konzernen wie der Telekom oder Siemens bis hin zu Mittelständler:innen wie DATEV oder dem Beratungshaus msg setzen immer mehr Unternehmen in ihrer Kommunikation auf die Stimmen der eigenen Mitarbeitenden. Bei Otto heißen sie Jobbotschafter:innen und sollen für mehr Bewerbungen sorgen. Bei einem FMCG-Unternehmen heißen sie Corporate Influencer und sollen auf LinkedIn mit Stakeholdern in den fachlichen Dialog zu Nachhaltigkeit oder Diversity treten. Wieder andere Firmen sprechen von Markenbotschafter:innen oder Brand Ambassadors.
Ist das alles das Gleiche und ganz kalter Kaffee in uralten Schläuchen? Oder definiert den Begriff einfach jeder wie er will? Epidemische Verwendung bei homöopathischer Definition? Kennen wir ja von CSR, Newsroom, Haltung, Purpose…
In the future, everyone will be a personal brand for 15 minutes…
In der PR-Werkstatt des PR Report habe ich 2018 eine Corporate Influencer-Definition (hier ohne Paywall, aber nur die Definition) angeboten. Die hat sich bisher nicht so richtig durchgesetzt, aber auch 2020 noch Hand und Fuß. Allerdings weniger als lexikalischer Eintrag, sondern eher als Versuch, den Nutzen des Konzepts für Unternehmen zu verdeutlichen. Also eine Antwort auf die Frage zu geben: Bei welcher kommunikativen Herausforderung können mir Corporate Influencer besonders effektiv helfen? Und dann gibt es ja auch noch die Markenbotschafter:innen und die Personal Brands…
Bevor ich diese Frage beantworte, ein kurzer Blick auf den Bezugsrahmen "Employee Advocacy": Mitarbeitende werden von ihrem Unternehmen als Fürsprecher:innen begriffen und sie begreifen sich selbst als Fürsprecher:innen, die ihre Firma und deren Themen, Produkte, Dienstleistungen auf ihren persönlichen Plattformen (von LinkedIn bis Elternabend) öffentlich vertreten – gegenüber Kund:innen, Freund:innen, Bekannten, Unbekannten.
„Du arbeitest bei der Telekom? Ich hab so’n Hals… blabla … ewig gewartet … blablabla … naja, will dir nicht die Party versauen!“
Unternehmens- oder Markenbotschafter:innen können prinzipiell alle informierten und motivierten Mitarbeitenden sein. Sie teilen und liken den Content ihres Unternehmens, den sie gut finden und nehmen es auch mal in Schutz, wenn es auf einer Party Kritik hagelt. Umso besser, wenn es für diese Botschafter:innen Wertschätzung und Workshops, Tipps und Tricks, Social Lunches und Barcamps gibt, auf denen sie sich draufschaufeln können, was sie gerne wissen und können wollen, um handlungssicher unterwegs zu sein.
Innerhalb dieser Botschafter:innen kann es eine – in der Regel kleine – Gruppe von Corporate Influencern geben. Sie legen ihren Fokus auf die fachliche Expertise aus ihrem Job und ihrer Berufserfahrung heraus. Sie zielen auf eher kleine, aber besonders einflussreiche Teilöffentlichkeiten des Unternehmens und vertreten dort ihre Fachthemen. Corporate Influencer sind dabei näher an ihren fachspezifischen Inhalten, als an der Marke, gerne auch mal auf der Branchen- und nicht nur Unternehmensebene unterwegs. Ihr Engagement ist hoch, denn sie kreieren eigene Inhalte, diskutieren mit Fachleuten in Foren und LinkedIn-Gruppen, gehen auf Podien. Dieses Engagement ist offizieller Teil ihres Jobs und sie haben dafür in der Regel dezidierte Ressourcen.
Fachdiskussionen auf LinkedIn zur Kreislaufwirtschaft oder Likes und Shares auf Facebook zum World Ocean Day?
Für die Praxis heißt das: Ein Unternehmen, das Teil des Dialogs mit NGOs, Journalist:innen und anderen Fachleuten zu nachhaltigen Plastikverpackungen sein möchte, braucht Corporate Influencer, die sich als absolute Expert:innen der Breite und Tiefe dieses Themas regelmäßig stellt und eigene Impulse dazu setzt. Mehrere Hundert Mitarbeitende, die auf Facebook einen Post zum neuen Nachhaltigkeitsbericht liken, helfen bei dieser Aufgabe nicht.
Aber: Hunderte Markenbotschafter:innen sind genau die Richtigen, wenn es darum geht, einer einfachen Botschaft in der breiten Öffentlichkeit Reichweite zu verschaffen („Unsere neue Mehrwegflasche besteht zu 100% aus recyceltem Plastik“). Sie teilen das entsprechende Video auf ihren persönlichen Profilen, sie liken und kommentieren die Beiträge der Kolleg:innen dazu.
Das Themenspektrum von Markenbotschafter:innen kann deshalb sehr breit sein: heute Nachhaltigkeit, morgen der Spot zum Superbowl, übermorgen die neue Employer Experience-Kampagne. Denn im Kern geht es um das Unternehmen bzw. die Marke auf die man stolz ist und das wissen auch die Follower. Das Engagement von Markenbotschafter:innen ist typischerweise geringer als das von Corporate Influencern. Sie verbreiten Inhalte eher, als dass die sie kreieren. Und ihr Botschaftertum läuft oft nebenbei bzw. „wenn es reinpasst“. Umso beeindruckender ist zum Beispiel das Momentum, das Mitarbeitende der Telekom in den letzten Jahren eigeninitiativ unter dem Hashtag #werkstolz entfaltet haben.
Das Leben ist eine Mischform mit Ankertyp
Natürlich gibt es diese theoretische Abgrenzung in der Praxis nicht, sie ist auch nicht notwendig. Im echten Leben gibt es typischerweise Mischformen mit einem „Ankertyp“. Es ist ja auch niemand geholfen, wenn er Lena Rogl, Pawel Dillinger, Sabine Mueller oder Oliver Bäte in Excel-Tabellen einsortiert. Aber allen ist geholfen, wenn die Ressourcen in Unternehmen auf Programme verteilt werden, die einen echten Hebel haben. Die dafür sorgen, dass die Reputation zu wichtigen Themen Schutz und Schub erhält. Dass Menschen mit Menschen sprechen, an den unterschiedlichsten Touchpoints ihrer Customer Journey.