CURE #2: Quo vadis, stationäre Apotheke?
Welche Entwicklungen sind im stationären Apothekenmarkt zu verzeichnen? Wie wichtig sind Kooperationen in der Branche und wie werden die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen aufgenommen? Ein Gespräch mit Volker Karg, Vorstandssprecher der LINDA AG.
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In der aktuellen Folge erklärt Volker Karg, Vorstandssprecher der LINDA AG, wie sich stationäre Apotheken im Wettbewerb behaupten können und welche Entwicklungen in der Branche vorangetrieben werden müssen.
Stephan Ahlf (KH): Die LINDA Apotheken sind eine Kooperation selbstständiger Vor-Ort-Apotheken. Der Vorteil für die Apotheken ist, dass LINDA ihnen das Marketing abnimmt. Sämtliche Maßnahmen von der Produktplatzierung bis hin zur saisonalen Kampagne, die für den Dialog mit Kundinnen und Kunden erforderlich sind, kommen von Ihnen. Welche Bedeutung hat der Kooperationsbegriff heute?
Volker Karg (LINDA): Eine Kooperation hat dann eine Existenzberechtigung, wenn sie als Gemeinschaft mehr erreichen kann als jeder einzelne. Und das beweisen wir jeden Tag aufs Neue.
Neben unserem Brot & Butter-Geschäft, dem kompletten 360-Grad-Marketingpaket, unterstützen wir unsere Kunden vor allem in wettbewerbskritischen oder Innovationsthemen: Was bedeutet die neue Preisabgabenverordnung für die Praxis? Wie können wir beim Impfen oder Testen helfen? Ein weiteres Thema: Apotheker suchen händeringend Personal. Hierfür haben wir eigens eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet.
Die Marke LINDA gibt es seit 18 Jahren, sie besitzt bei den Endkunden eine Bekanntheit von 60%. Dabei ist LINDA keine Dachmarke, die die lokale Marke ersetzen, sondern eine überregionale Brand, die der lokalen Apothekenmarke Rückenwind geben soll. Wir können damit Kunden in unsere Apotheken lenken, sei es über unsere Social-Media-Aktivitäten, linda.de und den Apothekenfinder oder durch die engen Partnerschaften mit PAYBACK und der Gesundheitsplattform gesund.de.
KH: Die LINDA Apotheken befinden sich wie alle Vor-Ort-Apotheken im Wettbewerb mit Online-Versendern wie DocMorris oder Shop Apotheke, hinter denen kapitalstarke Investoren stehen. Weil diese Modelle in Deutschland verboten sind, agieren die Unternehmen aus dem grenznahen Ausland. Nun hat der Gesetzgeber der hiesigen Apothekerschaft mit den sog. „Neuen pharmazeutischen Dienstleistungen“ ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem sie sich im Wettbewerb um die beste Beratung ein zusätzliches Einkommen erwirtschaften können. Die Kassen müssen bezahlen. Gut oder schlecht?
LINDA: Überfällig, wie ich meine! Allerdings unterschätzt der Gesetzgeber die aktuellen Personalprobleme in deutschen Apotheken. Wenn Sie als Apotheker zu wenig Personal haben, können Sie auch keine neuen pharmazeutischen Dienstleistungen anbieten. Es muss sich meiner Meinung nach etwas in der Vergütungsstruktur bei Apothekern, PTA und PKAs tun. Sonst wandert qualifiziertes Personal weiter in die Industrie ab.
KH: Anders als den Vor-Ort-Apotheken spielt den Versendern aus dem Ausland die Digitalisierung in die Hände. Das eRezept ist ja schon da, die Tele-Pharmazie ebenfalls, weitere Services werden folgen. Wie wollen Sie Ihre Mitglieder angesichts der Finanzkraft und dem Digitalisierungsgrad der Gesundheitskonzerne für diesen Kampf rüsten?
LINDA: Da wären wir wieder bei Ihrer ersten Frage: Kooperation ist wichtig. Wir müssen die Kräfte aller Marktakteure, die für die Interessen der stationären Apotheken in Deutschland eintreten, bündeln. Weg von Insellösungen, hin zu gemeinsamen Konzepten. Um gleich Vorurteilen entgegenzuwirken. Die Apotheke ist schon lange digital und datenaffin.
Was fehlt, sind Erfahrungen digitaler Prozesse beim Endkunden. Vom Endkunden her zu denken, fällt den Apothekern sehr schwer. Andere Branchen erziehen aber die Kunden und schaffen Erwartungshaltungen. Wenn diese vom Versandhandel erfüllt werden, haben wir das Nachsehen. Wenn wir es hingegen schaffen zu begreifen, wie der Endkunde tickt, was er für ein Gesundheitsangebot wünscht und wir als einzelne Marktakteure dann noch Eitelkeiten über Bord werfen und Budgetmittel bündeln, dann habe keine Sorge vor der Zukunft.
„Es muss sich etwas in der Vergütungsstruktur bei Apothekern, PTA und PKAs tun. Sonst wandert qualifiziertes Personal weiter in die Industrie ab.“
Volker Karg, Vorstandssprecher der LINDA AG
KH: Wir hatten vor ca. 15 Jahren mal über 21.000 Apotheken in Deutschland. Heute sind davon noch etwas weniger als 18.300 übrig, und es werden täglich weniger. Kämpfen Sie einen aussichtslosen Kampf, oder hatten wir eh zu viele?
LINDA: Ich befürchte, dass sich die Apothekenschließungen in diesem Jahr noch beschleunigt haben und wir Ende des Jahres keine 18.000 Apotheken mehr sehen werden. Es kommt aber in meinen Augen gar nicht so sehr auf die Anzahl der Apotheken als vielmehr auf deren Verteilung an. Die flächendeckende Versorgung ist in Gefahr. Ich meine, die Apotheker müssen lauter werden und sich ein Beispiel an den Ärzten und Piloten nehmen. Die haben oft viel weniger Argumente, schaffen es dafür aber in die Tagesschau.
Volker Karg blickt auf eine lange, erfolgreiche Karriere in der Healthcare-Branche zurück und ist inzwischen als Vorstandssprecher der Apothekenkooperation LINDA AG tätig.
Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Bamberg startete Volker Karg seine Karriere in der Werbung, wo er unter anderem für Ogilvy Healthcare tätig war. Seinen Einstieg in die Industrie begann Karg mit seiner Tätigkeit bei Merz Consumer Care. Über Stationen bei der Andrae-Noris Zahn AG und der inzwischen umfirmierten Alliance Healthcare Deutschland AG gelangte Karg schließlich 2015 zur LINDA AG.