Unternehmen machen Gesellschaft: Haltung zeigen zur Europawahl 2024
12.03.2024 von
Die Frage „Sollen wir zu der Debatte gegen Rechtsextremismus beitragen?“ hat im Januar 2024 Geschäftsführungen und Kommunikationsabteilungen in allen Landesteilen bewegt. Angesichts der Härte der Äußerungen, die dank des Mediennetzwerks Correctiv aus den Räumen eines Potsdamer Hotels geleaked worden, haben nicht nur viele Einzelpersonen, sondern eben auch Unternehmen sich entschlossen, aufzustehen. Unternehmen haben gezeigt, dass sie eine gesellschaftliche Rolle für sich annehmen. Dass sie Gesellschaft aktiv mitgestalten.
The business of business is business?
Dem Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman wird der berühmte Satz „the business of business is business“ zugeschrieben. Mit einer zunehmenden Bedeutung von Corporate Social Responsibility hatte diese Sichtweise lange keine Konjunktur. Unternehmer:innen und Manager:innen haben sich jedoch in letzter Zeit dem Satz wieder stärker verbunden gefühlt. Die Herausforderungen, die seit der Corona-Krise auf Unternehmen einwirken – der Russische Angriffskrieg, die steigenden Energiekosten, die Inflation, der Konsumeinbruch – haben dazu geführt, dass Aussagen wie „die Politik sollte uns einfach unser Geschäft machen lassen“ wieder populär waren. Ein Grund: Die Unzufriedenheit mit dem politischen Management dieser Herausforderungen nahm stetig zu.
Die letzten Wochen haben hingegen klar gezeigt: Unternehmen machen Gesellschaft. Sie machen Gesellschaft, weil Arbeitnehmende große Teile ihres Tages mit ihrem Job beschäftigt sind, ihre Kolleg:innen teilweise mehr sehen, als Partner:innen, Kinder oder Haustiere. Weil sie hier deutlich mehr Zeit verbringen, als in Vereinen, Parteien oder bei anderen Ehrenämtern.
Zur Europawahl die Haltung untermauern
Die Europawahl am 09. Juni 2024 ist die nächste große Chance, diesen Ansatz als Unternehmen weiter zu untermauern. Über 80 Prozent der in den Mitgliedsstaaten eingeführten Gesetze haben ihren Ursprung in der Europäischen Union. Die Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Parlament haben entsprechend einen deutlichen Einfluss darauf, welche Regelungen konzipiert werden, welche Ziele diese verfolgen und damit auch, wie unser europäisches Miteinander auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene gestaltet wird.
Unternehmen können die Position vertreten, dass der Detailgrad von Vorgaben zu weit geht. Dass sie mehr Freiraum brauchen, um innovative Ansätze für die Herausforderungen des steigenden Energiebedarfs, für transeuropäischen Transport, für umweltfreundliche Verpackungslösungen oder verbraucher:innenorientierte Produktinformationen zu finden. Legitime Positionen, die es gilt zu vertreten – gerade in einer demokratischen Ordnung, wie wir sie haben. In größter Mehrheit können sich Unternehmen aber gleichzeitig zur Europäischen Union bekennen.
Während sich Unternehmen bisher häufig mit Wahlaufrufen zurückhielten, sind die Demonstrationen von Eckernförde bis Bautzen, von Rosenheim bis Kleve ein klarer Appell, sich dort für einen gesellschaftlichen Zusammenhalt einzusetzen, wo es möglich ist.
Weitere LinkedIn-Statements allein werden nicht glaubwürdig sein
Im Rahmen der Correctiv-Recherchen haben Unternehmen rasch Stellung bezogen. Ein Post auf LinkedIn, ein Selfie von Demonstrationen. Das war richtig und wichtig und hat Geschlossenheit in der Sache demonstriert. Haltung zeigen ist aber etwas Langfristiges. Eine Haltung haben etwas Tiefgründiges.
Dabei liegen die Geschichten zur Haltung bei Unternehmen auf der Hand. Konkrete Ansätze dürfen einfach sein.
- Eine Geschichte über einen Standort im europäischen Ausland oder den eines Zulieferers
- Ein persönlicher Einblick zur Integration eines / einer Kolleg:in, die aus einem anderen europäischen Land stammt
- Die Reise eines Produkts, vom Produktionsort bis zum Einsatz oder Verkauf
Bereits mit diesen drei Skizzen lassen sich die Vorteile des europäischen Binnenmarkts – von zollfreiem Warenverkehr, über die Arbeitnehmendenfreiheit und bis hin zur Dienstleistungsfreiheit – erläutern. Und auch auf emotionaler Ebene finden sich zahlreiche Stories, die zeigen, dass es für eine Generation Erasmus selbstverständlicher Teil der Identität ist, mal problemlos in Spanien, Polen oder Schweden zu arbeiten. Ein Privileg, das Briten heute nicht mehr so einfach genießen.
Zuletzt haben sich Unternehmen vor allem öffentlich positioniert. Wenn aber Unternehmen Gesellschaft machen, dann ist jetzt die Zeit der internen Kommunikation. Sie ist es, die eine gemeinsame Motivation und Haltung eines Unternehmens transportieren kann, ohne auf die individuelle Entscheidung an der Urne einzuwirken.
Diesen Appell können wir als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren aufnehmen und kreative Ansätze finden, Unternehmen europäisch zu positionieren. In einer inklusiven Gesellschaft wird niemand ausgeschlossen, auch nicht diejenigen, die sich in den vergangenen Jahren von der Politik nicht erhört fühlten. So können wir selbst eine gestaltende Rolle einnehmen und dafür sorgen, dass die Geschichten auch nach den LinkedIn-Posts für ein menschliches Miteinander weitererzählt werden.